Freischreiber-Report 2020 Menu

Freischreiber-Honorarreport 2020:
Schwerpunkt Lokaljournalismus (Print)

Im zweiten Jahr des Freischreiber-Honorarreports müssen wir dringend eine Frage klären: Was ist ein Honorar? Das wissen viele Medien nicht und zahlen ihren freien Journalist*innen ein Taschengeld. Vor allem im Lokaljournalismus, einem der wichtigsten Ressorts überhaupt








Im ersten Freischreiber-Honorarreport 2019 hatten wir noch geschrieben: „Über Geld zu sprechen ist für freie Journalist*innen existenzentscheidend.“ Nur wenn wir wissen, wer wie viel zahlt, können wir faire Honorare aushandeln.

Nun haben wir den zweiten Freischreiber-Honorarreport fertiggestellt, mit dem Schwerpunkt Lokaljournalismus (Print). Und stellen fest: In einem der wichtigsten Ressorts unserer Branche gibt es für rund ein Viertel der Freien gar kein Honorar. Sondern Taschengeld. Von dem sie nicht leben können.

Doch zunächst ein Vergleich der gesamten Honorare mit denen des Vorjahrs: Haben sie sich verändert? Wenn ja, wie?

Vergleich 2019: Was hat sich verändert?

2019 lag das Stundenhonorar freier Journalist*innen im Mittel bei 22,50 Euro brutto. Errechnet aus 1443 Datensätzen, die in unserem Freischreiber-Honorartool wasjournalistenverdienen.de bis Januar 2019 zusammengekommen waren. Das Ergebnis war ein Schock. Denn nach einer Selbstständigen-Faustregel1 bleibt etwa ein Drittel davon als Gewinn – also rund 7,50 Euro netto pro Stunde.

„Ein Brutto-Stundensatz von 22,50 Euro – das ist widerwärtig“, schrieben wir damals als Fazit. „Davon sollten Journalist*innen nicht leben müssen. Und es auch gar nicht erst versuchen.“

Wer zahlt 2020 wie viel?

Nun liegt der zweite Freischreiber-Honorarreport vor, auf der Basis von 2064 Datenspenden, gesammelt bis 17. Februar 2020. Um es gleich zu sagen: Die Situation der Freien hat sich nicht verbessert. Obwohl wir einen signifikanten Datenzuwachs haben im Vergleich zum Vorjahr (2019: 1443 Datenspenden), bleibt das gemittelte Stundenhonorar wie einbetoniert bei 22,73 Euro. Spaßvögel könnten jetzt sagen: immerhin, eine Steigerung im Mü-Bereich von 23 Cent. Brutto.

Auffällig ist wie schon 2019 die extreme Bandbreite der Honorare, die freie Journalist*innen erzielen – abhängig vom Medium, für das sie arbeiten. Wie stark die Schere auseinanderklafft, zeigt unsere alphabetisch sortierte Liste. Textbeiträge werden darin nach Umfang ausgewiesen (Honorar pro 1000 Zeichen).

Der Spitzenreiter – das Greenpeace Magazin – zahlt seinen Freien für 1000 Zeichen knapp 200 Euro, das Schlusslicht Jungle World hingegen knapp 8 Euro. Gerade so, als handele es sich hier um zwei verschiedene Berufe.

Medium
Zufrieden-
heit
Honorar pro
1.000 Zeichen
Honorar pro
Audio-
minute
Honorar pro
Video-
minute
Daten-
spenden
{{media.name}} {{media.zufriedenheit_frei}} {{media.geld_text}} € {{media.geld_audio}} € {{media.geld_video}} € {{media.amount}}
Kein Ergebnisse gefunden.

In diese Liste sind nur Medien mit mindestens drei Datenspenden im Bereich "Freie Journalist*innen" eingeflossen. Audio- und Videominute meinen das Honorar, das eine Redaktion, gemittelt für eine produzierte Minute Podcast oder Video, zahlt. Alle Werte sind gleitende Mediane2 (siehe ※ Methodik). Der Stichtag der Datenerhebung war der 17.02.2020.

Zum Making-of:

Bis zum 17. Februar 2020 erhielten wir 2064 Datenspenden, verteilt auf 761 Medien: 1475 von freien Journalist*innen (71 %), 431 von Festangestellten (21 %) und 158 von Pauschalist*innen (8 %).

Die Honorare haben wir auf zweierlei Art gesammelt: einmal nach Umfang eines Beitrags (Zeichen oder Audio-/Video-Minuten) und einmal nach geschätztem Zeitaufwand (Stunden). Letzteres vor allem, weil wir eine Vergleichsmöglichkeit zu den Einkünften der Festangestellten und Pauschalist*innen schaffen wollten. Aber auch, weil der zeitliche Aufwand darüber mitentscheidet, ob sich ein Auftrag für Freie rechnet. Uns war klar, dass dabei die Gefahr von Verzerrungen hoch ist, schließlich handelt es sich um subjektive Einschätzungen.

In die obige Liste kamen ausschließlich Honorare mit mindestens drei Datensätzen als Basis. Datenspenden mit starken Ausreißern haben wir ausgeschlossen. Bitte beachten: Diese Zahlen sind nicht repräsentativ. Dafür sind die Stichproben zu gering, verteilt auf die einzelnen Redaktionen und Sender (siehe unten: Über die Validität der Ergebnisse). Bei den Honoraren haben wir nicht den Durchschnitt ermittelt, sondern den sogenannten gleitenden Median, der durch Extremwerte viel weniger beeinflusst wird. Hier erfahrt ihr mehr über unsere ※ Methodik und wie wir unsere Werte berechnen.

Audio- und Videohonorare findet ihr in den Spalten „Honorar pro Audiominute“ und „Honorar pro Videominute“. Außerdem seht ihr, wie zufrieden freie Kolleg*innen mit der redaktionellen Zusammenarbeit waren und wie viele Datenspenden uns pro Medium vorlagen. Mit einem Klick auf die Spaltenüberschriften lässt sich die Liste neu sortieren. Klickt ihr zum Beispiel auf „Zufriedenheit“, seht ihr, mit welchem Medium freie Journalist*innen gern zusammenarbeiten. Je höher der Punktwert, desto besser.

Wie auch die zweite Grafik zeigt. Hier sind alle Medien, zu denen uns mindestens drei Datenspenden pro Berufsgruppe (Freie, Pauschalist*innen, Feste) vorlagen, nach Zufriedenheit plus Stundenhonorar aufgeführt. Was immer wieder für Überraschungen sorgt: Die überregionale Wochenzeitung Jungle World etwa zahlt extrem wenig, trotzdem hat sie auch in diesem Jahr einen der höchsten Werte bei Zufriedenheit. Allerdings ist beides im Sinkflug: die sowieso schon geringe Bezahlung und die Freude, dafür zu arbeiten.

Visualisiert sind 191 Medien mit ihren Stundensätzen, getrennt für Freie, Pauschalist*innen und Feste, wenn mindestens drei Datenspenden vorlagen. Die Zufriedenheitswerte von Freien, Pauschalist*innen und Festen sind nicht zu einem gemeinsamen Wert verrechnet, sondern getrennt dargestellt. Die Spanne reicht von 1 (= am schlechtesten) bis 9 (= am besten) und ist hier aus UX-Gründen (User-Experience) verkürzt dargestellt. Grün = Freiberufler*innen, Blau = Pauschalist*innen, Orange = Festangestellte

Kleine Lesehilfe: Medien, die oben rechts stehen, zahlen am besten und bekommen hohe Zustimmungswerte. Medien, die unten rechts stehen, zahlen eher schlecht, sind aber dennoch beliebt. Und unten links haben wir Kandidaten für den Freischreiber-Hölle-Preis: Medien, die schlecht zahlen und mit denen Journalist*innen nicht zufrieden sind. Wenn ihr mit der Maus über die Punkte fahrt oder sie auf einem Touchscreen berührt, färben sie sich ein. Grün steht für Freiberufler*innen, Blau für Pauschalist*innen und Orange für Festangestellte.

Nennt es nicht Honorar!

Nun zu unserem Schwerpunkt Lokaljournalismus (Print). Für die lokalen Tageszeitungsredaktionen haben wir insgesamt 210 Datenspenden von freien Journalist*innen erhalten, die in die Bewertung eingeflossen sind. Ihnen haben wir 233 Datenspenden aus überregionalen Tageszeitungen gegenübergestellt.

Im Tageszeitungsjournalismus wird in der Regel nicht nach Zeichen, sondern nach Zeilen bezahlt. Diese können aber je nach Zeitung mal länger, mal kürzer sein. Unser Tool wasjournalistenverdienen.de lässt darum einen Zeilen-Eintrag nicht zu. Geht man von einem mittleren Wert von 30 Zeichen pro Zeile aus, käme ein Tageszeitungsaufmacher von 100 Zeilen umgerechnet also auf etwa 3000 Zeichen.

Wie viel bekommen freie Lokaljournalist*innen nun für ihre Arbeit?

Die Zahlen sind deutlich: 26,2 Prozent aller freien Lokaljournalist*innen, die sich in unserem Honorartool eingetragen haben, erhalten maximal 10 Euro brutto pro Stunde für ihre Arbeit und ihr Engagement. Ein gutes Viertel der freien Profis bekommt also von den Lokalredaktionen ein Taschengeld, ein Zubrot, eine Aufwandsentschädigung. Aber kein Honorar.

Zusammen mit den Kolleg*innen, die auf höchstens 15 Euro die Stunde (brutto) kommen, machen sie 41 Prozent der freien Lokaljournalist*innen unseres Honorartools aus.

Die ganz große Mehrheit der freien Lokaljournalist*innen – insgesamt 85,6 Prozent – erhält bei lokalen Tagesblättern maximal 25 Euro brutto pro Stunde. Davon kann man nur mit Ach und Krach über die Runden kommen, solange nichts passiert. Solange es keine Krisen existenzieller Art gibt wie Corona.

Kleiner Tipp: Um die genauen Werte abzulesen, fahrt mit der Maus über die Infografik bzw. berührt sie auf einem Touchscreen.

Visualisiert sind 210 Datenspenden von freien Journalist*innen bei lokalen Zeitungsredaktionen und 233 Datenspenden bei überregionalen Print-Medien. Die y-Achse entspricht den Anteilen an den jeweilen Teilgesamtheiten. Die Mediane liegen bei 18,64 Euro für die lokalen und 22,26 Euro für die überregionalen Medien.

In den Kommentaren zu den Einträgen im Honorartool lesen wir dann auch Entsprechendes:

Rheinische Post:
Die Freien in den Außenredaktionen erhalten gerade mal 0,30 Euro pro Zeile. Das bedeutet: Aufmacher mit 100 Zeilen 30,00 Euro. Meist mit 4 bis 5 Stunden Arbeit verbunden. Unterirdischer Stundenlohn!

Mit Freien wird, zur schlechten Bezahlung, auch noch schlecht umgegangen.

Märkische Allgemeine:
Aktueller Tageshöchstsatz = 125 Euro; Covern von 1 bis 2 Terminen, Fotos selbst machen.

Frankfurter Rundschau:
Die Arbeit am Wochenende wird mit pauschal 130 Euro netto vergütet. (Veranstaltungstermin ist meist am Samstag wahrzunehmen, mitunter am Freitag oder Sonntag. Texte schreiben am Sonntag, es ist i.d.R. eine komplette Seite zu füllen. Keine Fahrtkosten.

Vergleich: Überregionale Tageszeitungen

Verglichen mit den lokalen Blättern stehen die überregionalen Tageszeitungen besser da, aber nicht viel besser. Ein gutes Drittel (34,3 Prozent) aller freien Journalist*innen unseres Honorartools bekommt pro Stunde mindestens 25 Euro brutto und mehr. Doch ebenfalls ein gutes Drittel (35,3 Prozent) wird mit bis zu 15 Euro brutto die Stunde abgespeist. Und 22,4 Prozent der Freien erhält mit höchstens 10 Euro brutto eine Aufwandsentschädigung. Was den Journalismus zum Ehrenamt macht. Oder zum Hobby.

Auch müssen unsere Kolleg*innen manchmal verdammt lang auf ihr Geld warten, wie ein Kommentar im Honorartool zeigt:

Süddeutsche Zeitung:
Freie Autoren warten bis zu acht Monate auf Abdruck und Honorierung.

Der Median – in der Grafik grau hinterlegt – liegt bei den überregionalen Tageszeitungen bei 22,26 Euro. Bei den lokalen Blättern hingegen bei 18,64 Euro – gut 16 Prozent weniger. Beim Zufriedenheitswert-Median ist es ähnlich. Er liegt bei überregionalen Tageszeitungen mit 6,2 höher als bei den lokalen. Dort gibt es 5,8 von 9 möglichen Punkten.

Was uns wirklich sprachlos macht: 8,1 Prozent aller Freien, die Eingaben im Honorartool gemacht haben und für überregionale Tagesblätter arbeiten, bekommen weniger als 5 Euro brutto die Stunde. Dieses Journalismus-Prekariat ist bei den Überregionalen fast doppelt so hoch wie bei den Regionalen, dort liegt der Anteil bei 4,8 Prozent.

Was ist der Grund? Ist der Rechercheaufwand bei den Überregionalen so hoch, dass weniger als 5 Euro brutto die Stunde bei unseren Leuten übrigbleiben? Oder liegt es am Aufwand der Nachbearbeitung, den vielen Korrekturschleifen? Wir haben darauf keine Antwort.

Digital versus analog

Wenn die Zukunft des Journalismus im Digitalen liegt, wollen wir wissen, was Freie dort verdienen – mit ihren Texten, Audio- und Videobeiträgen in allen Medien (also nicht nur im Lokalen). Die Funktion, dies im Honorartool einzutragen, ist dort allerdings optional, nicht alle Nutzer*innen haben sie verwendet. Daher reduziert sich die Anzahl der Dateneinträge auf 1284.

Visualisiert sind 1284 Dateneinträge mit ihren Stundensätzen für Freie. Davon wurden 370 als "analog", 294 als "digital" und 620 als "analog & digital" kategorisiert. Die Standardabweichungen aller Kategorien rangieren zwischen 20,4 und 22,7. Entsprechend ist die Streuung ähnlich hoch verteilt.

Wir sehen auch hier einen Trend. Freie Journalist*innen, deren Beiträge nur analog (in Print, Radio oder Fernsehen) verbreitet werden, haben statistisch höhere Brutto-Stundenhonorare. Der Median liegt bei 31,39 Euro. Dabei klafft die Schere ganz gewaltig auseinander: 23,2 Prozent der Freien unseres Honorartools, also fast ein Viertel, arbeitet analog für maximal 15 Euro, während 11,9 Prozent mehr als 55 Euro brutto die Stunde erzielen.

Bei den freien Journalist*innen, deren Inhalte ausschließlich digital verbreitet werden, liegt der Median bei 28,13 Euro. Ein gutes Drittel der Freien (36 Prozent) arbeitet digital jedoch für höchstens 15 Euro brutto die Stunde.

Das Schlusslicht bilden die Kolleg*innen, die für beide Kanäle produzieren. Obwohl sie ihren Auftraggeber*innen also die breiteste Ausspielung ermöglichen, rangiert der Median ihrer Brutto-Stundenhonorare bei 25,77 Euro und damit fast 20 Prozent unter denen der analog arbeitenden Kolleg*innen. Und ein knappes Viertel (24,9 Prozent) wird auch hier mit einem Taschengeld von höchstens 10 Euro brutto die Stunde abgefunden.

Fazit: Investieren Sie, seien Sie mutig, zahlen Sie, ernten Sie!

Wir hängen am Lokaljournalismus. Vier von sieben Freischreiber-Vorstandsmitgliedern haben dort ihre Wurzeln oder arbeiten für regionale Medien. So wie viele unserer Mitglieder. Dass diese Branche seit etlichen Jahren in der Krise steckt, nicht zuletzt dank der Ideen- und Mutlosigkeit ihrer Verlagshäuser, müssen vor allem die Freien ausbaden.

Statt in Qualität zu investieren und den Lokaljournalismus kräftig aufzuwerten, fällt den Teppich-Etagen kaum etwas anderes ein als: Marktmacht konzentrieren, an den Mitarbeiter*innen sparen und über das Anzeigengeschäft jammern, das ihnen unter den Fingern wegbricht. Und irgendwie ins Digitale drängen.

Bei freien Journalist*innen wird allerdings nicht gespart. Das heißt jetzt anders: Da wird gestrafft. Kurz nach Beginn des Corona-Lockdowns sagte der Sprecher der Funke Mediengruppe: Man habe die Freien-Honorare beim Mediahafen Hamburg nicht gestrichen, sondern „allenfalls gestrafft“. Das klingt dynamisch, so als müsse man ein lasches Gummi auf Spannung bringen.

Wo das Unternehmen allerdings – laut Eigenwerbung auf dem Weg zum besten nationalen Medienhaus Deutschlands – noch Straffungspotenzial sieht, wissen wir nicht. Dass es 2017 rund 1,257 Milliarden Euro umgesetzt und nach Steuern mehr als 18,2 Millionen Euro Gewinn gemacht hat, dagegen schon.

Wir können den Lokaljournalismus nicht gesundbeten. Das ist auch nicht unser Job. Unsere Aufgabe ist es, für freie Journalist*innen einzutreten. Und klarzumachen, dass das, was so viele Freie im Lokalen mit ihrer professionellen Arbeit einnehmen, die Bezeichnung Honorar nicht verdient. Diese Leute sind keine Terminklopper, sondern Profis. Sie haben Expertise. Sie sind mutig, fleißig und ungeheuer belastbar. Man kann sie nicht bezahlen wie pensionierte Deutschlehrer*innen.

Ein Zubrot von 5 bis 10 Euro ist unvereinbar mit Qualität. Das sieht auch die Lokaljournalistin Anna Mayr so, die 2016 eine treffende Analyse ihrer Branche geschrieben hat:

Umsonst zu arbeiten, sich zu opfern, gilt immer noch als schick im Journalismus. Dabei ist es das, was die Branche umbringt auf die Dauer, denn gute Leute wollen zumindest ihre Miete zahlen können oder wenigstens das Gefühl, dass die Projekte, für die sie brennen, jemandem etwas wert sind.

Freie Journalist*innen sind Unternehmer*innen, sie wollen mehr bezahlen als ihre Miete. Sie wollen von ihrer Arbeit leben können. Warum sie trotzdem im Groschengrab Lokaljournalismus bleiben, hat vor allem mit ihrer Leidenschaft zu tun und dem Wissen, dass das, was sie tun, extrem wichtig ist.

Democracy Dies in Darkness

„Democracy Dies in Darkness“ lautet der Slogan der Washington Post, die Demokratie stirbt im Verborgenen. Und genau das geschieht hierzulande und überall, wenn der Lokaljournalismus ausgedünnt wird. Von 3143 Gemeinden in den USA haben knapp 200 überhaupt keine Zeitung mehr vor Ort. Sie sind „Nachrichtenwüsten“. Was dort geschieht, erfährt niemand mehr aus professioneller Quelle. Das hat weitreichende Folgen: Sterben lokale Blätter, verringert sich vor Ort das bürgerliche Engagement, die Wahlbeteiligung schwindet.

Ideen, den Lokaljournalismus zu stärken, gibt es hierzulande zuhauf. Sie sind vor allem dem Engagement Einzelner zu verdanken: Der Chefredakteur des Mindener Tageblatts, Benjamin Piel, klingelte 2018 nach seinem Amtsantritt an 200 Türen der Bewohner*innen seines Verbreitungsgebiets. Er hörte seinen Leser*innen zu, schrieb 20 Kladden mit Gesprächsnotizen voll und verfasste 200 Artikel über seine Entdeckungstour. Oder die Freie Presse 2018 in Chemnitz: Nach den Gewaltausbrüchen in der Stadt suchte die Redaktion den Dialog mit den Bürger*innen, lud sie zu Workshops ein. Am Ende stand ein respektvoller Gesprächsaustausch trotz erheblicher Meinungsverschiedenheiten.

Es ist die Mut- und Ideenlosigkeit der Verlagsspitzen, die diese Branche tötet. Aber wir wollen ihr nicht beim Sterben zusehen. Wir wollen, dass Verleger*innen ihren Job ernst und Geld in die Hand nehmen, dass sie in ihre Produkte investieren und an sie glauben. Denn nicht der Journalismus ist das Problem. Gerade jetzt in der Corona-Krise hat er gezeigt, wie wichtig er ist und wie sehr nach ihm verlangt wird.

Sie sind das Problem, Herr Schoo (Funke Mediengruppe), Herr Ippen (Verlagsgruppe Ippen), Herr Döpfner (Axel Springer SE), Herr Wegner (Südwestdeutsche Medien Holding), Herr Bauer (DuMont Schauberg), Herr Düffert (Madsack) und alle Ihre Kolleg*innen, die darüber entscheiden können, ob dieses Land eine Nachrichtenwüste wird. Investieren Sie in einen starken Lokaljournalismus, seien Sie mutig (Sie sind Unternehmer*innen), zahlen Sie anständige Honorare, ernten Sie eine lebendige lokale Presse. Sie könnten sich einen Namen machen.










Über die Validität der Ergebnisse

Die vorliegenden Daten geben einen Eindruck wieder, sind jedoch nicht repräsentativ. Die Gründe dafür sind zum Beispiel:

n(Datenspenden): 2064 Datenspenden sind ein guter Anfang. Angesichts von Zehntausenden deutscher Journalist*innen reichen sie aber noch lange nicht aus, um eine mathematisch repräsentative Stichprobe zu bekommen.
Online only: Alle Daten wurden auf unserer Website wasjournalistenverdienen.de von Nutzer*innen gespendet. Das bedeutet, dass wir tendenziell keine Daten von Nutzer*innen haben, die nicht online sind. Es könnte also einen Bias zu jüngeren, digitalaffinen Journalist*innen geben.
Korrektheit: Wir haben zwar Plausibilitätschecks, können aber nicht mit Sicherheit sagen, dass alle von Nutzer*innen gespendeten – und von uns verarbeiteten – Daten auch korrekt sind. Im Zweifel haben wir Daten gelöscht.
I ain’t perfect: Und dann gibt es natürlich noch die Schwachstelle Mensch. Hat sich jede Nutzer*in richtig daran erinnert, wie viele Stunden ein Stück erfordert hat? Oder sind vielleicht netto und brutto vertauscht worden?

Wieder zum Anfang des Reports kommst du hier.

1 Selbstständigen-Faustregel (gilt vor allem als Pi-mal-Daumen-Regel, um schnell zu kalkulieren, ist also ein grobes Instrument): Vom Brutto-Stundensatz wird etwa ein Drittel für die Steuer und die KSK zurückgelegt (auch an die Umsatzsteuer denken!), ein weiteres Drittel fließt in die Zeiten, in denen man nicht produziert (Recherchereisen, Akquise, Urlaub, Krankheit) sowie in die Arbeitsmittel (Büromiete, Buchhaltung etc.), das letzte Drittel verbleibt als Gewinn. (zurück)
2 Dargestellt sind wie immer die gleitenden Mediane. Die Zufriedenheitswerte wurden in der Grafik getrennt ausgewiesen und nicht verrechnet. Medien, für die wir beispielsweise Stundensätze für Freie und Feste ausweisen, erscheinen folglich zweimal mit den unterschiedlichen Zufriedenheitswerten der Berufsgruppen. (zurück)

Bild (Katharina Jakob):
c/o David Ausserhofer/Robert Bosch Stiftung

Bild (Oliver Eberhardt):
Oliver Eberhardt, Journalist und VG Wort-Experte

Bild (Jens Eber):
Silja Kummer